This piece was published some time ago in the print edition of the German weekly der Freitag, but I will repost it here nonetheless:
Vor etwa einem halben Jahr musste ich mich entscheiden, was ich mit etwa 2.000 Euro machen sollte, die sich auf meinem Girokonto angesammelt hatten und für die ich keine unmittelbare Verwendung hatte. Es war das erste Mal, dass ich persönlich mit der Frage nach einer richtigen Investition konfrontiert wurde und so begab ich mich in die Weiten des Internets, um mich über gute Anlagestrategien zu informieren. Nach einigem Kopfzerbrechen stieß ich auf eine Variante, die einen Bonus versprach: die Welt retten. Man kann nämlich auch Kredite an Menschen in Entwicklungsländern vergeben. Es handelt sich um so genannte „Mikrokredite“, deren Kreditvolumen selten 1.000 Dollar übersteigt.
Für normale Menschen in vielen Entwicklungsländern sind Mikrokredite oft der einzige Zugang zu Krediten überhaupt, da sie zum normalen Bankwesen ihrer Länder keinen Zugang haben. Gleichzeitig können sie Kredite aber gut gebrauchen, zum Beispiel um die Unternehmen auszubauen, die sie führen oder Investitionen in ihren Haushalt zu tätigen, durch die sie in den folgenden Monaten viel Geld sparen können.
Der Pionier der Mirkokredite ist Muhammad Yunus, der 1983 in Bangladesch die Grameen Bank gründete und dafür den Friedensnobelpreis bekam. Ursprünglich beruhte das Konzept darauf, dass sich Menschen in Entwicklungsländern gegenseitig Geld liehen. Eine Intervention westlicher Bürger war nicht vorgesehen.
Nun gibt es aber eine ganze Reihe Organisationen und Unternehmen, die genau das anbieten – und Anlegern ein unter manchem Gesichtspunktunmoralisches Angebot machen: hohe Zinsen (bis zu 16 Prozent) von Menschen, die sowieso schon wenig Geld haben. Ist das jetzt die versprochene Weltenrettung?
Auf die Kreditnehmer in Kenia, Uganda oder Côte d‘Ivoire kommen wirklich auf den ersten Blick grausige Bedingungen zu: rechnet man Zinsen, Versicherung, Provision und sonstige Transaktionskosten zusammen, kostet sie der Kredit oft mehr als 40 Prozent des Kreditvolumens. Sprich: Will jemand einen Kredit über 1000 Dollar aufnehmen, muss er dafür 1400 Dollar zahlen – und zwar innerhalb von kurzer Zeit, denn Mikrokredite laufen meist nur einige Monate. Die westlichen Kreditgeber hingegen machen einen Gewinn von bis zu 160 Dollar.
Was man bei dieser Rechnung beachten muss: die lokalen Kredithaie nehmen Zinssätze bis zu 280 Prozent. Dagegen sind die Kreditkosten der westlichen Anbieter fast zu vernachlässigen. Außerdem gehen hier die Kreditnehmer einen Vertrag ein, der ihre Rechte genau regelt. Dies wird von lokalen Kreditgebern nur in seltenen Fällen gewährleistet. Das die Kreditnehmer mit den Zinssätzen und Gebühren gut zurechtkommen, zeigt auch die hohe Rückzahlquote: einige Anbieter haben Ausfallquoten von unter einem Prozent.
Einen Mikrokredit zu vergeben ist also etwas grundsätzlich anderes als zu Spenden. Gleichzeitig macht man aber trotzdem etwas „sinnvolles“ mit seinem Geld – eine Eigenschaft, die nur die wenigsten Hedgefonds in ihre Prospekte schreiben könnten.